am 04. August 2021, 21:22 Uhr
Die Freie Wählergemeinschaft Lingen fordert in ihrem Programm zur Stadtratswahl die Rückführung der Stadtwerke Lingen zu einem städtischen Eigenbetrieb, in dem die Bürger*innen mitentscheiden. Was steckt dahinter?
Zunächst ist diese Forderung für die Entstehung der FWL zentral gewesen. Die FWL hat nämlich als eine Bürgerinitiative begonnen, welche sich unter anderem für die Einführung eines vergünstigtem Sozialtarifs bei Strom bei den Lingener Stadtwerken engagiert hat. Dies wurde jedoch von der Geschäftsführung als auch dem Oberbürgermeister (der im Aufsichtsrat sitzt) abgelehnt und auch ein Bürgerbegehren zu diesem Thema wurde nicht vom Verwaltungsausschuss zugelassen. Dabei wurden den Vertretern der Initiative einige rechtliche und wirtschaftliche Argumente entgegengehalten, welche dieses Vorhaben angeblich unmöglich machen. Ein Blick auf die Regulierung der Strompreise in unseren europäischen Nachbarnländern (z.B. Belgien) zeigt aber, dass ein Sozialtarif im europäischen Binnenmarkt durchaus realisiert werden kann, wenn man nur das will.
Aus Sicht der verantwortlichen Stadtratspolitiker sieht das natürlich ganz anders aus. Vor allem sind sie darauf bedacht den Minderheitengesellschafter "innogy SE" (Tochtergesellschaft der E.ON) in ihren Entscheidungen mitzunehmen.
Die Bürgerinitiative hat daraus folgende Schlussfolgerungen gezogen:
1.
dass man sich von der Initiative zur Wählergemeinschaft, die an der Stadtratswahl teilnimmt, reorganisieren musste,
2.
dass die Einführung eines Sozialtarifs erst nach der Rekommunalisierung der Stadtwerke realistisch wird und
3.
dass die Stadtwerke eine demokratische Unternehmensform annehmen muss, um den Einfluss der Bürger*innen langfristig zu erhalten.
Die FWL will demnach die Stadtwerke nicht nur in kommunale Hand zurückführen. Sie will gleichzeitig das Unternehmen zu einem demokratischen Eigenbetrieb machen, wo Bürger*innen, Nutzer*innen und Initiativen zu gesellschaftlich relevanten Themen (z.B. Soziales und Ökologie) mit entscheiden können.
Für reale Beispiele muss man hier gar nicht ins Ausland schauen. So hat etwa die Stadt Norderstedt den Werksausschuss um weitere Mandatsträger erweitert und seine Sitzungen öffentlich gemacht. In Münster hat man zwar die privatisierte Organisationsform belassen, aber dafür ein Forum geschaffen, wo Nutzer*innen Vorschläge mit einbringen können. Das weitläufigste Beispiel findet sich aber in Paris, wo die Stadtverwaltung die Wasserwirtschaft rekommunalisierte bzw. die Weltmarktführer der privaten Wasserwirtschaft "Veolia" und "Suez" verdrängte. Gleichzeitig führte sie einen Verwaltungsrat für die Wasserwirtschaft ein, wo sich das Stimmrecht auf Regierung, Opposition, Bürgschaft, Arbeitnehmerseite und Expert*innen verteilt.
Welcher dieser realen Ansätzen für die Stadt Lingen umsetzbar sind, muss man natürlich im Einzelnen genau diskutieren. Die FWL will darüber gerne eine Debatte starten und freut sich über Ideen von interessierten Bürger*innen und Mitstreiter*innen.